Im Rahmen der Veranstaltung zu den Auswirkungen von COVID-19 auf die Wohnungsmärkte wurden Wirkungen der Pandemie aus soziologischer, immobilienwirtschaftlicher, demografischer und raumplanerischer Perspektive betrachtet und analysiert. Diese multiperspektivische Betrachtung des Themas war intendiert, da COVID-19 in fast allen gesellschaftlichen Bereichen mit Bezug auf das Wohnen Wirkungen zeigt. Rund 165 Expertinnen und Experten aus Politik und Verwaltung, Wissenschaft, Wohnungswirtschaft und zahlreichen anderen Institutionen meldeten sich zum Kolloquium an, auch Studierende zeigten ein reges Interesse am Thema.
Erwartungsgemäß wurde schnell deutlich, dass abschließende Beurteilungen der Wirkungen der Pandemie auf die Wohnungsmärkte derzeit noch nicht getroffen werden können. Festgestellt wurde jedoch, dass die Wohnungsmärkte der Pandemie bisher sehr robust gegenüberstanden und kaum Schaden genommen haben. Als Grund dafür wurde u. a. die Geld- bzw. Fiskalpolitik der Bundesregierung genannt, die die Haushalte finanziell stützte. Genommen wurde den Haushalten jedoch das immaterielle „gemeinsame Leben“ als Zwischenbereich des öffentlichen und privaten Lebens. Diese in diesem Zwischenbereich vorhandenen „Gemeinschaftsräume“ bieten eine „Hintergrundsicherheit“ indem sie vergewissern, dass „wir in einer gemeinsamen Welt leben“. Damit vermitteln sie zwischen den in Pandemiezeiten viel diskutierten Themen „Schutz“ und „Freiheit“. In diesem Zusammenhang wurde eine Revision städtebaulicher Prämissen, hin zu Räumen, die das „gemeinsame Leben“ auch in schwierigen Zeiten wie der Pandemie besser ermöglichen, eingefordert. Diese „Mikroheimat“, wie immer sie derzeit gestaltet ist, wird auch in Zeiten der Pandemie nicht so einfach aufgegeben. Eine kurzfristige Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse, z. B. der Umzug in eher ländliche Gebiete, muss ein Haushalt sich auch leisten können – finanzielle, arbeitsplatzbedingte und auf den zukünftigen Lebensentwurf bezogene Gründe spielen hier eine wesentliche Rolle. So war das Binnenwanderungsverhalten über Jahrzehnte hinweg sehr stabil und wies ein stetiges Auf und Ab bei den präferierten Zielgebieten auf. Derzeit verlieren insbesondere die kreisfreien Großstädte und gewinnen die ländlichen Kreise, wobei diese Entwicklung nicht zweifelsfrei als eine Wirkung der COVID-19-Pandemie identifiziert werden kann. Insbesondere die Preisentwicklung auf den Wohnungsmärkten wie auch die Wohnbaulandverfügbarkeit führen dazu, dass derzeit der 2. Ring um die kreisfreien Großstädte eine Art Boom erlebt. COVID-19 wird hier als eine Art Trendverstärker angesehen. Betont wurde jedoch auch, dass es große regionale Unterschiede in den Entwicklungen gibt, auf die geachtet werden muss. So ist es auch bei denen von der Pandemie Betroffenen; konkret wurde die Situation der Wohnungslosen in der COVID-19-Pandemie angesprochen. Personen ohne Wohnung können sich kaum oder nur sehr schlecht vor einer Pandemie schützen und sind somit besonders vulnerabel. Ein Blick auf Bremen und auf das angelsächsische Ausland zeigte, dass auch in Zeiten der Pandemie Programme und Projekte (z. B. „housing first“-Ansätze) entwickelt werden können, die dazu beitragen, Wohnungslose nachhaltig in den regulären Wohnungsmarkt zu integrieren – und durch den vorhandenen Handlungsdruck z. T. sogar wesentlich schneller als in pandemiefreien Zeiten. Themen des Kolloquiums waren auch der pandemische Alltag und die wahrgenommenen Veränderungen in der familiären (Arbeits-)Organisation und auf Quartiersebene. Letzteren fehlt es bislang weitestgehend an kleinräumiger empirischer Evidenz. Themenübergreifend wurde immer wieder die Frage gestellt, ob im Wohnkontext eine schnelle Reaktion auf COVID-19 letztendlich nicht insbesondere eine Option für einkommensstärkere Haushalte darstellt und diese dann möglicherweise die sozioökonomische Segregation in den Stadtregionen verstärkt.
Vor diesem komplexen Hintergrund setzte sich das Kolloquium das Ziel, aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven gebündelt Wirkungen und Herausforderungen von COVID-19 auf das Wohnen, die Quartiere und die Stadtentwicklung zu identifizieren und zukunftsorientiert einzuschätzen. Konkrete Beispiele, wie z. B. zur Versorgung der Wohnungslosen in Pandemiezeiten, konnten zudem Hinweise und Anreize für das eigene Handeln in den Kommunen bieten. Gleichwohl wird, auch das wurde deutlich, das Thema der Wirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Wohnen, die Quartiere und die Stadtentwicklung die gesellschaftlichen Akteure noch lange beschäftigen.