Als Antwort auf diese Problematik findet seitens Politik und Wissenschaft immer häufiger der Begriff der Klimaresilienz Widerhall. Vereinfacht gesagt umklammert Klimaresilienz die Fähigkeit eines städtischen Systems, seine Funktionen gegenüber einer Störung aufrechtzuerhalten oder schnell wiederherzustellen (Robustheit), sich an Veränderungen anzupassen und Systeme, welche die gegenwärtige oder zukünftige Anpassungsfähigkeit einschränken, schnell zu verändern (Anpassungsfähigkeit).
Das Studierendenprojekt F06 “Smart Resilience Hai Phong” beschäftigt sich daher seit dem Wintersemester 2019/2020 mit der Frage, wie Klimaresilienz in Hai Phong erfasst und letztendlich auch durch gezielte Maßnahmen gestärkt werden kann. Dabei bedienen sich die 13 TeilnehmerInnen einer Fülle von Methoden aus der satellitenbildgestützten Fernerkundung und der Geoinformation, zum Beispiel der räumlichen Veränderungsanalyse und der multikriteriellen Bewertung, welche regelmäßig am Fachgebiet Raumbezogene Informationsverarbeitung und Modellbildung (RIM) gelehrt werden.
Im Zeitraum vom 08.03 - 21.03.2020 sollte eine Exkursion in drei vietnamesischen Städten durchgeführt werden, um bisherige Ergebnisse mit vietnamesischen Partneruniversitäten und Planungsbüros zu diskutieren sowie über direkte Ortsbegehungen erste Satellitenbildanalysen empirisch zu validieren. Zu den vietnamesischen Partnern zählen unter anderen:
· Hai Phong University
· Hanoi Architectural University
· Vietnam National University, Hanoi
· Vietnam Institute for Urban and Rural Planning, Hanoi
· Vietnamese-German University, Ho Chi Minh City
· Department of Planning and Architecture, Ho Chi Minh City
Aufgrund der sich parallel weltweiten rasanten Ausbreitung des neuartigen SARS-CoV-2 Virus durften sich schon am zweiten Exkursionstag ausländische Touristen in Hai Phong nicht mehr in Wohngebieten aufhalten, was eine Ortsbegehung unmöglich machte. Da sich die Maßnahmen zur Einschränkung des SARS-CoV-2 Virus stündlich verschärft hatten und alle geplanten Termine mit den vietnamesischen Partnern aus Sicherheitsgründen abgesagt wurden, musste die Exkursion schließlich am dritten Tag abgebrochen werden. Die Projektgruppe bekam hautnahe Einblicke über eine andersartige Ausnahmesituation und wie man sich dieser gegenüber in resilienter Weise verhält. Bereits im Februar hat die vietnamesische Regierung strenge Maßnahmen zur Ausbreitungsverminderung des Virus verordnet, um die Bevölkerung zu schützen und eine Überlastung des Gesundheitssystems nicht in Kauf zu nehmen. Neben morgendlichen Temperaturmessungen und verpflichtenden Reiseauskünften von Touristen wurden auch Händedesinfektionsmittel an nahezu allen öffentlichen Gebäudeeingängen bereitgestellt. Ebenso akribisch wurde die Bevölkerung durch Poster-Aushänge, SMS-Nachrichten der Gesundheitsbehörde, Informationen in öffentlichen WI-FI Netzwerken und sogar einem Musikvideo über Schutzmaßnahmen informiert. Vertraut man den Zahlen der Johns Hopkins Universität, so wurden zum Exkursionsbeginn ca. 30 Infektionsfälle gemeldet, die bis jetzt (24.06.2020) nur auf 352 angestiegen sind; ohne einen einzigen Todesfall (mehr Informationen zum Umgang mit dem SARS-CoV-2 Virus in Vietnam in (La et al. 2020)).
Die laufende Corona-Pandemie zeigt deutlich auf, dass das Resilienzthema höchst interdisziplinär und auf nahezu alle räumlichen Ebenen und Sektoren übertragbar ist. Die notwendigen Maßnahmen, die bis heute in Deutschland das tägliche Leben und Arbeiten bestimmen, haben im universitären Bereich zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der digitalen Lehre geführt und potentielle Schwachstellen im eigenen System aufgezeigt. Getreu dem Resilienzgedanken, aus Krisen zu lernen und bestenfalls gestärkt herauszugehen, regt die gegenwärtige Lage unweigerlich zu neuem Denken an, was auch das gemeinsame wissenschaftliche Arbeiten zukünftig befördern könnte. So konnte die Projektgruppe zum Beispiel auf Online-Umfragen umsteigen und durch gezielte Fragestellungen ein noch präziseres Feedback aus Vietnam zu den eigenen Zwischenergebnissen gewinnen.
Das akute Problem der SARS-CoV-2 Pandemie wird eines Tages ausklingen. Das schleichende Problem des Klimawandels bleibt jedoch bestehen und sollte in Zukunft mit einer ähnlichen Ernsthaftigkeit und nötigen Maßnahmen angegangen werden, denn die Pandemie hat uns bereits jetzt gelehrt, dass ein schnelles Handeln in Kooperation mit Wissenschaft zur Sicherheit und Gesundheit der Bevölkerung durchaus möglich ist.
Kontakt:
Prof. Dr. Nguyen Xuan Thinh, M.Sc. Mathias Schaefer, M.Sc. Michaela Lödige
https://rim.raumplanung.tu-dortmund.de/
Quellen:
La, V.-P.; Pham, T.-H.; Ho, M.-T.; Nguyen, M.-H.; P. Nguyen, K.-L.; Vuong, T.-T.; Nguyen, H.-K.T.; Tran, T.; Khuc, Q.; Ho, M.-T.; Vuong, Q.-H. Policy Response, Social Media and Science Journalism for the Sustainability of the Public Health System Amid the COVID-19 Outbreak: The Vietnam Lessons. Sustainability 2020, 12, 2931.